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Drusen-Religion  

Definition

  • Meyers Großes Konversations-Lexikon 1906: Drusen [...] Eigentümlich ist die Religion der D. Ihre Lehren sind in heiligen Büchern niedergeschrieben, die, obwohl sorgfältig geheimgehalten, in Europa doch durch Abschriften bekannt geworden sind. Sie bestehen aus 111 Abhandlungen, die in sechs Bücher zerfallen; ein siebentes, in einer ägyptischen Schule entdecktes haben sie 1817 dazu erhalten. Die Religionslehre der D. ist danach mohammedanischer Gnostizismus mit allerlei dem Christentum und alten philosophischen Systemen sowie dem persischen Magismus entlehnten Ideen. Das am meisten charakteristische Dogma ist das von der Einheit des Wesens Gottes, der nur von seinen berufenen Kindern erkannt werden kann und zwar mittels menschlicher Inkarnationen. Diese sind zahlreich gewesen; die letzte, der keine andre folgt, war der Fatemide El-Hâkim Biamrillâh, 996–1021 Sultan von Ägypten. Die D. glauben an Seelenwanderung, nur daß die Seelen immer wieder in geboren werdende Menschen und nicht in niedere Tiere übergehen. Hauptpflichten des Menschen nach ihrer Lehre sind: Wahrhaftigkeit, doch nur D. gegenüber, während Andersgläubige nach Kräften belogen werden dürfen; Unterstützung der Glaubensgenossen; Lossagung von der Gottlosigkeit; Bekenntnis der Einheit Gottes und steke Ergebung in seinen Willen. Eigentliche Priester haben die D. nicht; sie teilen sich nur in 'Akkâl (Wissende, Eingeweihte) und Dschohhal (Unwissende). Die 'Akkâl, zu denen die meisten Scheichs gehören, bilden einen geheimen Orden in verschiedenen Graden, der allein im Besitz der Geheimlehren und mit den höchsten Interessen der Gemeinden betraut ist. Um unter ihrer Zahl aufgenommen zu werden, wozu jedem Drusen, Mann und Weib, das Recht zusteht, ist es erforderlich, gewisse Erklärungen abzugeben und allen Freiheiten zu entsagen, die den Dschohhal gewährt sind. Die 'Akkâl arbeiten wie die andern, stehen aber in hoher Achtung. Sie tragen einen runden, losen Turban und dürfen sich nicht in gestickten oder außergewöhnlichen Kleidern zeigen, auch keinen Tabak rauchen, keinen Wein trinken, weder lügen noch schwören und an den Festlichkeiten der Dschohhal nicht teilnehmen. Jeden Donnerstag abends findet in jedem Dorf eine religiöse Versammlung statt, die mit politischen Gesprächen beginnt. Dann werden Auszüge aus den heiligen Büchern ihrer Religion gelesen und kriegerische Hymnen gesungen, welche die Vertilgung der Ungläubigen und die Eroberung der Welt durch die D. feiern. Gleichzeitig werden Gauversammlungen gehalten, zu denen jeder Ort einen Delegierten sendet, und eine üb er die Beschlüsse der niedern Versammlungen beratende Landesversammlung in Baaklin, zu der jeder Gau einen Vertreter abordnet. Die Vereinigung von Politik und Religion ist im drusischen System inniger als bei irgend einem andern Volk. Die Dschohhal sind in der Religion unwissend und daher gleichgültig gegen sie. Sie haben weder Beschneidung noch Gebete oder Fasten, kennen weder Feste noch Verbote, trinken Wein und essen Schweinefleisch. Gleichwohl sind dem Dschohhal die geheimen Erkennungszeichen der Sekte ebenso bekannt wie dem 'Akkâl, dessen Gebräuche er achtet. Die Gebräuche und Sitten der D. haben im übrigen viel Eigentümliches; sie sind gleich den Arabern sehr zeremoniös und reich an Ausdrücken der Höflicheit. Um den Fremden und Nichtdrusen zu erkennen, haben sie in Anrede und Gruß besondere Sätze, aus deren Beantwortung sie sogleich erfahren, was sie wissen wollen. Die Frauen lassen nur das linke Auge sehen; sie nehmen aber, durch einen Vorhang verhüllt, an den Gemeindeversammlungen teil. Die D. sind mäßig, reinlich und fleißig, tapfer, aber auch treulos (besonders gegen die Türken) und empfindlich. Wie den Beduinen, sind ihnen Gastfreundschaft und Blutrache heilig. Geringe Streitigkeiten werden gewöhnlich durch Vermittelung der Freunde oder durch die Scheichs der betreffenden Familien beigelegt. Bei Todesfällen wird der Leichnam in den besten Kleidern des Verstorbenen ausgestellt und in kammerähnlichen Gräbern im Gebirge bestattet. Die Jugend lernt lesen und schreiben, das Treiben der Erwachsenen geht in Politik, Ackerbau und kl einen Gebirgsfehden auf. | Als Religionsstifter verehren die D. den oben erwähnten, halb verrückten Kalifen El-Hâkim Biamrillâh von Ägypten (996–1021), der sich für eine Verkörperung Alis ausgab. Ein schlauer persischer Sektierer, Mohammed ibn Ismail el Dârasi, verbreitete diese Lehre sowie die von der Seelenwanderung und fand namentlich im südlichen Libanon Anhänger; ein andrer Sektierer, Hamza, brachte den neuen Glauben in ein System. Sowohl unter den Eroberungen der arabischen Kalifen als unter denen der Kreuzfahrer und der türkischen Sultane scheinen die Anhänger[222] dieser Religion, die D., auf ihren Bergen ihre Freiheit unter Stammeshäuptlingen bewahrt zu haben. Erst um 1588 unterwarf sie Murad III. und gab ihnen einen der Pforte tributpflichtigen Groß-Emir. Gegen seine Absicht aber beförderte der Sultan gerade dadurch die Einheit und Macht des Volkes; seit 1599 vergrößerte der Drusenfürst Fachr eddin durch schlaue Politik das Gebiet der D. auf Kosten der Türken bedeutend. Er wurde jedoch im Kampfe gegen die Türken von den Seinigen und von Europa, mit dem er in lebhafter Verbindung stand (1613 hatte er sogar eine persönliche Zusammenkunft mit Ferdinand I. von Toskana in Florenz), verlassen, im Oktober 1633 den Türken überliefert und in Konstantinopel 1635 erdrosselt. Zunächst blieb das Großemirat (unter der Oberherrlichkeit der Pforte) bei der Familie Fachr eddins, gelangte aber nach deren Aussterben an die Familie Schehab. Der letzte aus dieser war Emir Beschir, der sowohl bei der Belagerung von St.-Jean d'Acre durch die Franzosen als auch später bei den Streitigkeiten zwischen der Pforte und den Vizekönigen von Ägypten eine zweideutige Rolle spielte, weshalb er wiederholt von der Pforte abgesetzt, aber durch Mehemed Ali und Ibrahim Pascha zurückgeführt wurde. Endlich 1840 als ägyptischer Parteigänger von der Pforte seiner Würde entsetzt, erhielt er Emir Beschir el Kassim zum Nachfolger. Kaum aber war Syrien wieder der Herrschaft der Pforte zurückgegeben, so erregten die gegenseitigen Ränke der Franzosen und Engländer einen Kampf zwischen D. und Maroniten, den die Pforte zu ihrem Vorteil benutzte, um die Selbständigkeit beider bis dahin unter der Herrschaft des Emirs Beschir verbundenen Völkerschaften zu brechen. Fast zwei Jahre dauerte der innere Kampf, infolgedessen die Pforte auch an Stelle des Emirs Beschir el Kassim den Renegaten Omer Pascha zum Administrator der D. und Maroniten einsetzte, dessen Tyrannei aber bald einen neuen Aufstand erregte. Die Streitigkeiten zwischen D. und Maroniten dauerten die nächsten Jahre fort, und die Großmächte machten Ende 1847 neue Versuche zu deren Beilegung; doch ohne Ergebnis. Vielmehr stieg die gegenseitige Erbitterung immer höher, und der Fanatismus der stärkern und von hohen Beamten der Pforte insgeheim begünstigten D. machte sich endlich in jenen blutigen Gemetzeln Luft, die vom Mai bis Oktober 1860 dauerten und besonders im Damaskus vom 9.–16. Juli gegen 6000 Christen das Leben kosteten. Auf die dringenden Anforderungen der christlichen Mächte hin entschloß sich die Pforte zu strengem Einschreiten; die Hauptanstifter jener Greuel, darunter mehrere hohe Beamte der Pforte, wurden hingerichtet, und die Regierung des Libanon, der ein selbständiges Liwa bildete, ward einem christlichen, nicht dem einheimischen Adel entnommenen Pascha übergeben, infolgedessen zahlreiche D. nach dem Hauran auswanderten. Vgl. Silvestre de Sacy, Exposé de la religion des Druses (Par. 1838, 2 Bde.); Earl of Caernarvon, The Druses of the Lebanon (Lond. 1860); Petermann, Reisen im Orient, Bd. 1 (Leipz. 1861); Churchill, Mount Lebanon, Bd. 4 (2. Aufl., Lond. 1862); Guys, La nation druse (Par. 1864). | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 222-223. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006515274

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