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Definition
- Duden: 1. Gesamtheit der Juden in ihrer religions- und volksmäßigen Zusammengehörigkeit; jüdisches Volk | 2. Judaismus | 3. a. Gesamtheit der durch Religion, Kultur, Geschichte geprägten jüdischen Eigenschaften, Eigenheiten; jüdisches Wesen | b. Zugehörigkeit, Gefühl der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, zur jüdischen Religion; das Judesein | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1907: Judentum (jüdische, israelitische, auch mosaische Religion) bezeichnet den religiösen und sittlichen Lehrinhalt des Alten Testaments, der in dem spätern, daran sich anschließenden Schrifttum, wie überhaupt in dem Geistesleben der Judenheit seine Ausgestaltung erlangt hat. Die letzten Wurzeln des Judentums führen schon auf die Stammväter, die Vorbilder des Glaubens, Duldens und Kämpfens, die Träger des monotheistischen Gedankens, der, wie ihr Familienleben, ein charakteristisches Moment der jüdischen Religion ist. Sie erhält nach der Erlösung Israels aus Ägypten und der ihm zuteil gewordenen sinaitischen Offenbarung in dem nach allen Seiten hin ausgebildeten Gesetz seinen umspannenden Rahmen. Die Grundidee dieses Glaubens ist der Monotheismus. Er lehrt einen einzigen, universalistischen Gott, den Schöpfer, Leiter und Richter der Welt, und diese Lehre wird von der geschichtlichen Erfahrung befestigt. Dieser Gott will, daß der in seinem Ebenbild, d. h. mit einer freien, zurechnungsfähigen Seele geschaffene Mensch heilig werde, sich durch den Wandel in Ehrfurcht, Liebe und Gerechtigkeit zur sittlichen Vollkommenheit hinanarbeite. Nach diesen Grundgedanken, welche die Bibel und das jüdische Schrifttum durchziehen, regelt sich das Leben Israels, auf ihnen erheben sich die religiösen Institutionen, sie offenbaren sich in der theokratischen Verfassung, den Staats-, Priester- und Tempelgesetzen, im Kultus, den ritualen, sanitären und volkswirtschaftlichen Vorschriften, in der Lehre vom Messias und der Unsterblichkeit der Seele, wie in allen ethischen Forderungen. Mit der Einwanderung der Israeliten in Kanaan erhält das J. eine nationale Fessel, weil es vor fremden Einflüssen bewahrt bleiben, erstarken und sich bewähren soll. Aber Angriffe von außen und heidnische Elemente im Innern verhindern die Kräftigung. Diese bewirken erst die von Samuel gegründeten Prophetengenossenschaften, die Hebung des Kultus durch David und die Errichtung eines Nationaltempels durch Salomo. Die Reichsspaltung schlägt dem J. tiefe Wunden. Das Zehnstämmereich geht am heidnischen Kultus zugrunde, und der Religionsverfall beschleunigt mit den Untergang des Reiches Juda. Ihn vermögen die Propheten nicht aufzuhalten. Aber ihr Verdienst bleibt es, daß sie dem J. die nationalen Fesseln abnahmen, Werkheiligkeit und Formendienst geißelten, die Volksreligion zur Weltreligion erhoben und einen Fond universaler religiöser Ideen für die Zukunft anlegten. In der babylonischen Gefangenschaft vollzog sich die sittliche Wiedergeburt der Juden, und im zweiten Staatsleben empfing das J. neue Impulse, besonders durch seinen Regenerator Esra. Er eröffnet unter anderm auch auf traditionellem Grunde die Quellen der Gesetzesforschung. Sein Wirken und das der Synagoga magna (s. d.) ist so nachhaltig, daß das J. später in Ägypten sich die griechische Kultur dienstbar macht und in Palästina den gewaltsamen Hellenisierungsversuchen widerstehen kann (Heldenkampf der Makkabäer). Von den nach den makkabäischen Befreiungskriegen sich bildenden Parteien (Pharisäer, Sadduzäer und Essäer) gebührt den Pharisäern das Verdienst, das J. weiter entwickelt und die Keime zu einem üppig emporschießenden Gesetzstudium gelegt zu haben. Korruption im politischen Leben und römische Tyrannei bringen eine Zeit des Gärens und Hoffens, in der sich die ersten Elemente des Christentums vom J. ablösen. Mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels sowie mit dem letzten Versuch unter Bar-Kochba, die nationale Selbständigkeit zu retten, vollzieht sich die Zerstreuung Israels über die Erde. Daß damals das J. nicht verkümmerte, ist den Gelehrten zu danken, die das politische Volk der Juden zu einem Religionsvolk umbildeten, indem sie die Erforschung und Pflege des J. als Hauptaufgabe deklarierten. Die Früchte des Gesetzstudiums, niedergelegt im Talmud (s. d.), gaben dem J. der Diaspora Norm und Einheitlichkeit. Doch löste sich im 8. Jahrh. die antitalmudische Sekte der Karäer (s. d.) vom J. ab, und mit dem vom 10. Jahrh. einsetzenden Aufblühen der arabisch maurischen Kultur, der Renaissance der altklassischen Philosophie in Spanien, entstand demselben neue Feindschaft. Darum galt es jetzt, den Lehrinhalt des J. nach mehreren Seiten hin zu verteidigen, Glauben und Wissen miteinander zu versöhnen und die Lehre zu vertiefen. Das bezweckten die Schriften der Religionsphilosophen, wie die des Saadja ben Joseph, Gabirols, Juda Halevis, Maimonides, Levis ben Gerson, Josephs Albo u. a. Daneben fand eine weitere Apologetik gewandte Vertreter, während vom 13. Jahrh. ab, nicht zum Vorteil für das J., die Mystik (s. Kabbala) sich ausbreitete. Klar und bündig sind die Forderungen des Judentums systematisch geordnet in den Religionskodizes des Maimonides (Mischne Thora), den Turim Jakobs ben Ascher und dem Schulchan aruch (s. d.) des Joseph Karo. In den Schreckenszeiten des Mittelalters und unter politischem Druck verkümmerte das Geistesleben der Juden, aber ihre Treue zum J. war unverwüstlich. Erst mit der Aufklärungsperiode und der Zeit Moses Mendelssohns (s. d.), in der die Emanzipation der Juden sich anbahnte, kam eine Wendung zum Bessern. Als die Juden eintraten in die Kultur Europas, ergab sich die Notwendigkeit, die Mißstände, die sich besonders in Kultus und Unterricht zeigten, zu beseitigen und das praktische J. zeitgemäß zu gestalten. Dieser Aufgabe kam die jüdische Wissenschaft, besonders die von Rapoport und Zunz angebahnte Erforschung der jüdischen Geschichte und Literatur, die ihre jüngsten Ausläufer in der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums (gegründet 2. Nov. 1902) hat, zu Hilfe. Die radikale, durch Holdheim Philippson und Geiger vertretene Reform machte einer gemäßigten, heute vorwiegend geltenden Richtung (Frankel, Sachs u. a.) Platz, während die orthodoxe Partei (S. R. Hirsch, Hildesheimer, Lehmann u. a.) in der Minorität geblieben ist. Alle Parteien haben in Kultus, Unterricht und sonst den[342] Zeitforderungen Rechnung tragen müssen. Für Kräftigung des Judentums, Umgestaltung wichtiger Gemeindeinstitutionen, Ausgleich des Lebens mit der Lehre wirkten in Deutschland seit 1844 Rabbinerversammlungen und Synoden, während als Lehr- und Pflegstätten desselben blühende Rabbinerseminare gegründet wurden (Breslau: Rabbinerseminar Fränkelscher Stiftung, Berlin: orthodoxes Seminar und die Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums, in Wien, Budapest, Paris, Florenz, New York, Cincinnati). Offizielle Vertreter des Judentums sind die Rabbiner, die in einzelnen Staaten, wie in Frankreich, Baden, Württemberg u. a., Staatsbeamte sind. Die das J. betreffende Literatur findet ihre Gesamtdarstellung in Hamburgers »Realenzyklopädie für Bibel und Talmud« (Strelitz 1870 ff.), »The Jewish Encyclopedia« (New York 1901 ff.) und dem »Grundriß der gesamten Wissenschaft des Judentums«, den die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums vorbereitet. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 342-343. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006846939