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Definition
- Duden: Jurist mit staatlicher Zulassung als Berater und Vertreter in Rechtsangelegenheiten, besonders auch Prozessen; Anwalt (Berufsbezeichnung); Abkürzung: RA | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1908: Rechtsanwalt (Advokat, Anwalt, Fürsprecher, Rechtsbeistand, Sachwalter), ein Rechtgelehrter, der zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten vor den zuständigen Behörden staatlich ermächtigt ist. Die Bezeichnung R. findet sich zum erstenmal in der bayrischen Verordnung vom 13. Aug. 1804 gebraucht, wo R. den beim Gericht zugelassenen Advokaten bedeutet, von dem jede Prozeßschrift unterzeichnet sein muß. Bei den Römern wurde unterschieden zwischen dem Rechtsbeistand, der neben der Partei auftrat (advocatus), und dem procurator. der als ihr Vertreter an ihrer Stelle handelte. Im ältern deutschen Prozeßverfahren finden sich zunächst nur sogen. Fürsprecher neben den Parteien, die keinen besondern Stand bildeten. Das Eindringen des römischen Rechtes und das schriftliche Prozeßverfahren machten jedoch einen eignen Advokatenstand erforderlich. In Frankreich hat sich die Trennung der Advokatur von der Anwaltschaft oder Prokuratur erhalten. Die Vertretung der Partei ist Sache des Avoué, während der Avocat vor Gericht den mündlichen Vortrag hält oder plädiert. In England entsprechen den französischen Avoués die Attorneys, der Barrister dem französischen Avocat. In Deutschland erhielt sich die Advokatur als freier Beruf. Der Versuch Friedrichs d. Gr., die Advokaten durch staatliche Beamte (sogen. Assistenzräte) zu ersetzen, erwies sich als unhaltbar. Die Verhältnisse der Rechtsanwälte waren jedoch in den einzelnen Ländern verschieden geregelt. In Rheinpreußen bestand der Unterschied zwischen Advokaten und Anwälten bis zum Jahr 1879 fort; jedoch wurde die Unvereinbarkeit der beiden Stellungen beseitigt. Die Rechtsanwälte, die beide vereinigten, hießen Advokatanwälte. In den meisten deutschen Staaten bildete die Beschränkung der Zahl und die staatliche Anstellung der Rechtsanwälle die Regel; in Baden, Mecklenburg, Bremen, Frankfurt a. M. und Hamburg wurde, wer die vorgeschriebenen Prüfungen bestanden hatte, zur advokatorischen Praxis zugelassen. Die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 hat die Verhältnisse der Rechtsanwälte für ganz Deutschland in einheitlicher Weise geregelt. Danach kann derjenige, der in einem deutschen Staate die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, in diesem Staate die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne weiteres beanspruchen. Eine staatliche Genehmigung oder Anstellung ist nicht erforderlich; es ist sonach durch die Rechtsanwaltsordnung die »Freigebung der Advokatur« auch da erfolgt, wo sie vorher nicht bestand. Wer in einem Bundesstaate die Zulassung beanspruchen darf, kann auch in jedem andern Bundesstaat zugelassen werden. Über den Antrag auf Zulassung entscheidet die Landesjustizverwaltung nach Anhörung des Vorstandes der Anwaltskammer. Aus bestimmten Gründen, z. B. wegen Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter infolge gerichtlicher Verurteilung, unwürdigem Verhalten, geistiger oder körperlicher Schwäche, muß die Zulassung versagt werden. Die Versagung ist gestattet, wenn der Antragsteller, nachdem er die Fähigkeit zur Rechtsanwaltschaft erlangt hatte, während eines Zeitraums von drei Jahren weder als R. zugelassen ist, noch ein Neichs-, Staats- oder Gemeindeamt bekleidet hat, noch im Justizdienst oder als Lehrer des Rechtes an einer deutschen Universität tätig gewesen; ferner, wenn ihm auf Zeit die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt; endlich, wenn der Antragsteller früher R. gewesen, aber innerhalb der letzten zwei Jahre auf Verweis oder auf Geldstrafe von mehr als 150 Mk. im ehrengerichtlichen Verfahren gegen ihn erkannt[663] worden ist. Die Zulassung als R. erfolgt nach dem Grundsatz der Lokalisierung der Rechtsanwaltschaft (s. Lokalisierung) bei einem bestimmten Gericht, ausnahmsweise auch bei mehreren Kollegialgerichten desselben Ortes. Der bei einem Amtsgericht zugelassene R. darf zugleich bei dem Landgericht, in dessen Bezirk dieses Amtsgericht seinen Sitz hat, zugelassen werden. In gewissen Prozessen, den sogen. Anwaltsprozessen (s. d.), besteht Anwaltszwang. Soweit solcher nicht besteht, darf die Partei selbst vor Gericht auftreten oder sich durch einen gewöhnlichen Prozeßbevollmächtigten (s. d.), z. B. einen sogen. Rechtskonsulenten (s. d.), vertreten lassen. Die gemeinsamen Interessen des Anwaltstandes werden durch die einzelnen Anwaltskammern wahrgenommen, deren Vorstand unter andern auch das Ehrengericht bildet (s. Anwaltskammer). Über die Berufung gegen die Entscheidungen der Ehrengerichte hat der Ehrengerichtshof in Leipzig zu entscheiden, dem der Präsident und drei andre Mitglieder des Reichsgerichts (s. d.) angehören. Als eine Vertretung des deutschen Anwaltstandes kann der am 18. Juli 1844 zum erstenmal zusammengetretene deutsche Anwaltstag und der am 25. Aug. 1871 gegründete deutsche Anwaltsverein angesehen werden. Der R. hat für seine Tätigkeit Gebühren und Ersatz der Auslagen zu beanspruchen und zwar nach Maßgabe der Gebührenordnung vom 7. Juli 1879, neue Fassung vom 20. Mai 1898. Hiernach bestehen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ebenso wie bezüglich der Gerichtskosten (s. d.) feste Pauschsummen und bestimmte Wertklassen. Vertragsmäßige Übereinkunft über die Höhe der Gebühren ist zulässig. Mit der Rechtsanwaltschaft ist vielfach auch das Notariat (s. d.) verbunden. Ausgeschlossen ist die Rechtsanwaltschaft von der Führung von Rechtsangelegenheiten vor den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten, beschränkt ist sie bezüglich der Führung von Verteidigungen vor den Militärgerichten. Die deutsche Militärstrafgerichtsordnung, § 341, hat wieder Rechtsanwälte geschaffen, die Beamte sind, die sogen. Militärrechtsanwälte. Diese werden bei den Kriegsgerichten und Oberkriegsgerichten durch die oberste Militärjustizverwaltung aus den im Bereich der Oberkriegsgerichte, beim Reichsmilitärgericht durch seinen Präsidenten aus den am Sitz desselben wohnenden Rechtsanwälten nach Maßgabe des Bedürfnisses und nach Befragung der Anwaltskammer (und zwar immer mehrere) mit der Wirkung ernannt, daß ihnen die Verteidigung (s. d.) übertragen werden kann und sie die Übernahme nicht verweigern dürfen. Beim Reichsgericht erfolgt die Zulassung durch das Präsidium des Reichsgerichts. | In Österreich hat der R. (Advokat) nach der Advokatenordnung vom 6. Juli 1868 die freie Wahl in der Bestimmung seines Wohnsitzes. Zur Ausübung der Advokatur bedarf es keiner Ernennung, doch muß der R. bestimmten Erfordernissen genügen. Zur Wahrung der Interessen des Advokatenstandes bestehen Advokatenkammern. Anwaltszwang besteht in Österreich regelmäßig in Prozessen vor den Gerichtshöfen erster Instanz und vor allen Gerichten höherer Instanz. Auch wenn Vertretung durch einen Advokaten nicht geboten ist, können sich die Parteien in Streitsachen über 500 Gulden in Orten, an denen wenigstens zwei Advokaten ihren Sitz haben, nur eines Advokaten als Prozeßbevollmächtigten (s. d.) bedienen. Vgl. Benedikt, Die Advokatur unsrer Zeit (Wien 1903); Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft (Leipz. 1905); Berger, Die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (das. 1901); die »Kommentare zur Gebührenordnung für Rechtsanwälte« von Joachim (4. Aufl. des Walterschen Kommentars, Berl. 1904), Willenbücher (6. Aufl., das. 1906), Sydow und Busch (7. Aufl., das. 1903), Pfafferoth (4. Aufl., das. 1905), Merzbacher (Münch. 1902), Drucker (Leipz. 1904); Wagner, Bureaubuch für Rechtsanwalte und Notare (Berl. 1902); Hergenhahn und Eccius, Rechtsprechung der höhern und höchsten deutschen Gerichtshöfe über Prozeßbevollmächtigte und Rechtsanwalte (Hannov. 1894, 2 Bde.); »Juristische Wochenschrift«, Organ des deutschen Anwaltsvereins (hrsg. von Hugo Neumann, Berl. 1872 ff.). | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 663-664. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007326254
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