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Algerier  

Definition

  • Duden: Einwohnerbezeichnung | [Anm.: unvollständig: Einwohnerbezeichnung zu Algerien] | Duden: Algerien: Staat in Nordafrika | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905: Algerĭen (hierzu Karte »Algerien, Marokko und Tunis«), franz. Kolonie an der Nordküste von Afrika, zwischen Marokko und Tunis, dem Mittelmeer und der Sahara. Während die östliche und westliche Grenze gegen Tunis und Marokko auf eine gewisse Strecke festgelegt ist, ist die südliche ganz unbestimmt und wird von den Franzosen immer weiter in die Sahara vorgeschoben. Im allgemeinen kann der 30. Breitegrad als Südgrenze bezeichnet werden, von Ghadames an der Grenze von Tripolis bis nördlich von Gurara, einer Oase Tuats. Innerhalb dieser äußersten Ausdehnung hat A. 797,770 qkm Flächeninhalt. [...] | [Bevölkerung.] Umfang und Bevölkerung der Kolonie betrugen nach den letzten Erhebungen (1901): | Davon sind: 4,480,456 französische Untertanen (358,045 Franzosen, 57,044 Juden, 4,065,367 Mohammedaner)[319] und 245,641 Fremde (155,124 Spanier, 38,730 Italiener, 23,864 Marokkaner, 2397 Tunesen und 25,526 andre Fremde). Die Zahl der Deutschen nimmt nur durch Zuwanderung, namentlich von Elsaß-Lothringern, zu, da die Geburtsziffer bei ihnen immer noch hinter den Sterbefällen zurückbleibt, während bei den Franzosen, bei denen das früher auch der Fall war, sich schon ein Geburtenüberschuß herausstellt. Am besten gedeihen in A. Spanier, Italiener, vor allen aber Juden (Geburten 43–57, Sterbefälle 24–28 auf Tausend), so daß man schon sagt, A. werde ein neues Palästina werden. Aber noch rascher wächst die einheimische mohammedanische Bevölkerung. Schon daraus ergibt sich, daß A. weder Betriebs-noch Besiedelungskolonie ist. Zwischen den Eingebornen und Fremden besteht eine tiefe Kluft: Sitten, Sprache, Religion, Geschichte, Traditionen, alles trennt die Muslims von dem verhaßten Rumih (Christen). Abgesehen von kleinern Stämmen und Rassen gehören die Eingebornen zwei verschiedenen Völkern an: den Arabern und Berbern (zusammen etwa 300 Stämme). Die erstern, die Beduinen, nennen sich selbst Araber und sind echte Nomaden, meist Nachkömmlinge der dritten arabischen Invasion im 11. Jahrh., die ihre Namen und Stammbäume unverfälscht erhalten haben. Ein Teil von ihnen hat sich aber schon mit den autochthonen berberischen Stämmen vermischt. Die Araber (ca. 3 Mill.) bewohnen zum großen Teil das Tell, aber auch in der Sahara sind sie zahlreich vertreten. Im Tell treiben sie Ackerbau und Viehzucht, in der Sahara ausschließlich die letztere. Sie leben in Zelten oder Reiserhütten (Gurbis). Die seßhaften Eingebornen in den Städten sind sogen. Mauren (ca. 2 Mill.), die sich selber Hadar, Hausbewohner, nennen, im Gegensatze zum Hal bit eschschâar, dem Zeltbewohner, dem Beduinen. Sie sind ein Mischvolk aus den verschiedensten Elementen. Ihren Lebensunterhalt suchen sie im Kleinhandel, vorzüglich aber als Handwerker. Die Kabylen sind unstreitig die echten Nachkommen der alten Berber, zählen gegen 760,000 Köpfe und bewohnen größtenteils die Provinz Konstantine, jenes alte Numidien, wo ihre Vorfahren so viel Zähigkeit im Kampf mit Römern und Karthagern entwickelten. Sie haben bis heute die alte berberische oder libysche Sprache bewahrt, die sie mit arabischen Schriftzeichen schreiben, seit sie Muslims geworden sind. Der Kabyle wohnt in Dörfern, treibt Ackerbau und ein wenig Industrie, ist arbeitsam, sehr mäßig, abergläubisch, fanatisch und barbarisch, dabei schmutzig und geizig. Bei alledem ist er mehr geneigt, französische Einrichtungen anzunehmen, als der Araber; er läßt seine Kinder französische Schulen besuchen und nimmt begierig Verbesserungen im Ackerbau und Handwerk an, wird in dessen mit den Europäern ebensowenig verschmelzen wie der Araber. Kleinere Stämme in A. sind: die Biskrih, Berber aus den Oasen des Ziban, ein tätiges Völkchen, das die Wasser-, Packträger und Hausknechte der Städte liefert; die gleichfalls berberischen Mzabiten oder Beni Mzab aus den Oasen an den Grenzen der Sahara (gegen 30,000). Sie haben den Kleinhandel in Händen. ebenso die Fleischerei, den Betrieb der öffentlichen Bäder etc. Bei den europäischen Großhändlern haben sie unbegrenzten Kredit. Sie gehören keiner der vier sunnitischen Sekten des Islam an, sondern verwerfen gleich den Wahabiten Arabiens die Sunna (Tradition) und mißbilligen die Heiligen- (Marabut-) Verehrung Die Türken, die bei der Eroberung Algeriens durch Frankreich der herrschende Volksstamm waren, wurden durch die französische Regierung zur Auswanderung gezwungen. Die wenigen Neger stammen aus dem Innern von Afrika und leben meist als Tagelöhner und Dienstboten in den Städten. Die Juden, unter den Deis mißhandelt und unterdrückt, durch die Franzosen aber mit allen bürgerlichen Rechten ausgestattet, nehmen immer mehr französisches Wesen und Tracht an. Trotz ihrer geringen Bildung den Mauren im Handel überlegen, erwerben sie schnell Reichtum, werden aber von den Eingebornen bitter gehaßt. | Da der mohammedanische Kultus aufs engste mit dem bürgerlichen Leben verflochten ist, so fand sich die französische Regierung veranlaßt, die vorhandenen religiösen Institutionen nicht nur zu respektieren, sondern auch als Regierungsmittel zu benutzen. Eine ihrer ersten Maßregeln war darum die, sämtliche Moscheengüter der eroberten Territorien für Staatsgut zu erklären und alle Kosten des Kultus zu übernehmen. Die geistlichen Angelegenheiten der Muslims leiten zwei Muftis. An der Spitze der katholischen Kirche steht der Erzbischof von Algier, dem zwei Bischöfe beigegeben sind; auch besteht in Algier ein großes und ein kleines Priesterseminar. Die Angelegenheiten der protestantischen Kirche leitet das Konsistorium in Algier. Für das Volksschulwesen ist insoweit gesorgt, daß in jeder Gemeinde sich gegenwärtig wenigstens eine Volksschule (etwa 1200) befindet. Außerdem gibt es Kinderbewahranstalten, die meist von geistlichen Brüderschaften geleitet werden. Auch bestehen Schulbibliotheken und für Erwachsene Abendkurse, von höhern Lehranstalten 3 Lyzeen (in Algier, Oran und Konstantine) und 11 Progymnasien, endlich eine medizinisch-pharmazeutische Schule, eine Rechtsschule, eine naturwissenschaftliche und eine philosophische Schule und 3 Lehranstalten für das Arabische in Algier, Oran und Konstantine, in Algier eine Kunstschule, ein Observatorium und eine öffentliche Bibliothek. Die ganze Kolonie bildet einen Akademiebezirk. Von Zeitungen erscheinen in der Kolonie 92 (davon 25 in Algier, darunter täglich »Le Moniteur del'Algérie« und »La Vigie Algerienne«), einige in französischer und arabischer Sprache. Algier und Oran besitzen Gesellschaften für Geographie und Altertumskunde. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 318-325. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006211216

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https://vocabs.acdh.oeaw.ac.at/traveldigital/Concept2020700

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