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Tscherkesse  

Definition

  • Duden: Angehöriger einer Gruppe kaukasischer Volksstämme | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909: Tscherkessen (Adighe nach eigner, Zirkassier nach europäischer Benennung; s. Tafel »Asiatische Völker II«, Fig. 8), arischer Volksstamm, der zur westlichen Gruppe der Kaukasusvölker gehört, früher das Ostufer des Schwarzen Meeres, die Westhälfte des Kaukasus, die Ebenen am Kuban, zum großen Teil auch die Kabardinische Ebene bewohnte, jetzt aber zum großen Teil (seit 1858) auf türkisches Gebiet (Kleinasien, Syrien, Palästina, Europa) ausgewandert ist. Auf russischem Gebiet wohnen in Ziskaukasien in den Provinzen Kuban 69,000 (hier Abadsechen, Schapßugen, Natuchaier genannt) und Terek 82,000 (hier Kabardiner genannt), im Schwarzen Meer-Bezirk 1400, so daß die Gesamtzahl aller T. in Kaukasien auf über 152,400 geschätzt werden kann. Ein jetzt stark zusammengeschmolzener verwandter Stamm der T. sind die Abchasen (s. d.). Die T. sind ein schöner Menschenschlag von reichlich mittlerer Statur, schlank und kräftig, mit edlen, sein geformten Gesichtern und braunen, zuweilen blonden Haaren. Früher bekannten sie sich teils zum armenischen, teils zum orthodox-griechischen Christentum, haben aber später den Islam angenommen; doch sind nur die Häuptlinge und Vornehmen als Mohammedaner anzusehen, bei dem Volk haben sich sowohl christliche Gebräuche als zahlreiche Spuren des alten Heidentums erhalten. Die Sprache der T., selbständig für sich dastehend, ist kenntlich an vielen Gurgeltönen, reich, zur Poesie geeignet und zerfällt in einen nördlichen (Abesech) und südlichen (Ubuch) Dialekt (s. Kaukasische Sprachen). Sie haben Sänger (Kikoakoa), die in hohem Ansehen stehen. Vgl. L'Huilier, Russisch-tscherkessisches Wörterbuch und Grammatik (Odessa 1846); Löwe, Circassian dictionary (Lond. 1854). Seit der Einführung des Korans hat die arabische Sprache sich bedeutend ausgebreitet, und in ihr werden auch die Dokumente ausgestellt. Die Tracht der Männer, bestehend in langem Rock, Tscherkeßka, mit orgelpfeifenähnlichen Patronenhülsen auf der Brust, und hoher Schaffellmütze, haben jetzt auch die kaukasischen Kosaken angenommen. Die Frauen tragen sehr malerische Kleidung. Die Männer gehen stets bewaffnet mit Flinte, Säbel, Pistole und Dolchmesser. Hauptcharakterzüge des Volkes sind: Anhänglichkeit an die Familie, Tapferkeit, Entschlossenheit, Gastfreiheit, Ehrfurcht vor dem Alter und Gemeinsinn, aber auch Leichtsinn, Roheit, Habgier, Neigung zur Dieberei und namentlich Lügenhaftigkeit. Die Blutrache fordert jährlich viele Opfer. Seit der Unterwerfung der T. durch die Russen hat ihr kriegerischer Geist sehr abgenommen. Das Heiraten geschieht nach freier Wahl, und zwar wird das Mädchen aus dem elterlichen Haus heimlich entführt und erst später nach der Hochzeit der vereinbarte Preis (Kalym) vom Mann bezahlt. Die Stellung der Frauen ist nicht die sklavische wie sonst im Morgenland, besonders genießen die jungen Mädchen große Freiheit, doch werden Mädchen von den eignen Eltern oft in türkische Harems verkauft. | Geschichte. Im Altertum treten die T. unter dem Namen der Sychen auf. Im 13. Jahrh. wurden sie von den georgischen Königen unterworfen und zum Christentum bekehrt; doch errangen sie 1424 ihre Unabhängigkeit wieder. Bedrückungen durch den Tataren-Chan der Krim nötigten 1555 die Gebirgsstämme, sich dem Zaren Iwan IV. dem Schrecklichen zu unterwerfen. Nach dem Abzug der Russen siedelte der Tataren-Chan Schah Abbas Girai 1570 die Transkubaner zwangsweise jenseit des Kuban an und bekehrte sie zum Islam. 1843 rief Schamyl (s. d.), der seit 1839 die Tschetschenzen und andre östliche Gebirgsstämme zum Kampf entflammt hatte, auch die T. zur Erhebung gegen die Russen auf und wurde hierin seit 1853 von den Türken unterstützt. Schließlich aber wurden Schamyl und die T. 1859 von den Russen unterjocht (vgl. Kaukasien, S. 778). Die T. wanderten in Scharen (bis 1864: 400,000) nach der Türkei aus, wo sie, in Bulgarien, Thessalien etc. angesiedelt, durch ihre Wildheit viele Klagen hervorriefen. Auch 1875 (in der Herzegowina), 1876 (in Bulgarien) und 1877 (im russisch-türkischen Krieg) taten sich die tscherkessischen Truppen durch Zügellosigkeit sehr, im geregelten Kampfe wenig hervor. Die Aufstandsversuche der im Kaukasus zurückgebliebenen T. waren 1877 ohne einheitlichen Plan und daher ohne Erfolg. Vgl. Bergé, Sagen und Lieder des Tscherkessenvolkes (Leipz. 1866). | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 773. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007611587

URI

https://vocabs.acdh.oeaw.ac.at/traveldigital/Concept2016600

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