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socialistisch  

Definition

  • Duden: sozialistisch: 1. den Sozialismus betreffend, zum Sozialismus gehörend; in der Art des Sozialismus | Duden: 1. (nach Karl Marx die dem Kommunismus vorausgehende) Entwicklungsstufe, die auf gesellschaftlichen oder staatlichen Besitz der Produktionsmittel und eine gerechte Verteilung der Güter an alle Mitglieder der Gemeinschaft hinzielt | 2. politische Richtung, Bewegung, die den gesellschaftlichen Besitz der Produktionsmittel und die Kontrolle der Warenproduktion und -verteilung verficht | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909: Sozialismus (hierzu Tafel »Sozialisten I u. II«), im weitern Sinn alle Bestrebungen, die eine Beseitigung der in der Gesellschaft herrschenden Klassenunterschiede bezwecken, im engern modernen Sinne dasjenige volkswirtschaftliche System, welches das wirtschaftliche Leben unter Ersetzung des Privateigentums durch das Gemeineigentum einer gemeinsamen und planmäßigen Regelung unterwerfen will. Der moderne S. hat viel Verwandtschaft mit dem Kommunismus (s. d.). Beide Systeme bezwecken eine bessere Staats- und Gesellschaftsordnung, als die bestehende ist, beide führen die darin vorkommenden Mißstände auf verkehrte menschliche Einrichtungen zurück und fordern eine gänzliche Umgestaltung des Wirtschaftsorganismus, der Rechtsordnung und des Staatswesens der Kulturvölker, nach der unter Beseitigung der individuellen wirtschaftlichen Freiheit die Gesamtheit die Verantwortlichkeit und Sorge für die ökonomische und soziale Lage der einzelnen zu übernehmen habe. Auf dieser Grundlage erfinden beide neue Organisationen der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Produktion und der Verteilung der Güter, welche die Forderungen einer angeblichen Gerechtigkeit verwirklichen sollen. Der Unterschied zwischen beiden besteht vornehmlich darin, daß der Kommunismus die Vergesellschaftung sowohl der Produktions- als der Konsumtionsartikel und eine auf alle Lebensverhältnisse sich beziehende zwangsweise Ordnung des Lebens der einzelnen durch die Gesellschaft verlangt, während der S. nur Gemeinsamkeit der Produktionsmittel fordert, dem einzelnen aber auf dem Gebiete des rein individuellen Lebens einige Freiheit gewährt. | Diese eben geschilderten Grundsätze des S. sind aber erst unter dem Einfluß moderner wirtschaftlicher Zustände und Vorgänge zu wissenschaftlichen Systemen ausgebildet worden. Allerdings fehlt es nicht an Vorläufern. Denn es hat von jeher, seit es Ungleichheit in der Welt gab und den Menschen zum Bewußtsein gelangt war, Richtungen und Bestrebungen gegen das Privateigentum und für das Gemeineigentum gegeben. Die Vermögensungleichheit in der hellenischen Welt erzeugte schon bei Phaleas von Chalcedon, einem Zeitgenossen Platons, namentlich aber bei Platon (s. d.) selbst, staatswissenschaftliche Lehren mit stark sozialistischer Färbung. In seinem »Staat« schildert dieser ein kommunistisches Gemeinwesen, in dem wenigstens für die Regierenden (die »Philosophen« und »Wächter«) das Privateigentum aufgehoben ist und Weibergemeinschaft und staatliche Kindererziehung herrscht. In dem nüchtern-praktischen, von privatwirtschaftlicher Erwerbslust erfüllten Sinne der Römer war kein Boden für sozialistische Theorien. Erst im Mittelalter leben sie unter dem Einfluß des Christentums wieder auf und führen unter dem Einfluß von extremem sittlichen Rigorismus zu kommunistischen Bildungen. So im Manichäismus, bei den Katharern (11. Jahrh.), der Sekte der »Apostel« (um 1300), den Homiliaten, den Begharden etc. Ein ganz andres Gesicht trug der S. von Morus (1478–1535); er war nicht eingegeben von weltflüchtiger Askese, sondern von dem Streben nach Verallgemeinerung des Lebensgenusses (s. More 1 und Kommunismus, S. 332). An die Utopie des Morus schlossen sich andre kommunistische Staatsromane und Schriftsteller, wie Campanella, Vairasse, Morelly, Mably, Brissot de Warville, Boissel u. a., an (s. Kommunismus); zu Ende der französischen Revolution versuchte Babeuf (s. d.) die kommunistischen Theorien zu verwirklichen. Im übrigen aber sind die während der Revolution und nach ihr auftretenden sozialistischen Theorien mächtig beeinflußt von den Lehren Jean Jacques Rousseaus (s. d., 1712–78), der in seiner Abhandlung »Über den Ursprung und die Gründe der Ungleichheit unter den Menschen, und ob sie durch Naturgesetze geheiligt sei« den Satz aufstellt, daß die Früchte der Erde allen gehören und die Erde niemand. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 638-642. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000749663X

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