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Auswanderer  

Definition

  • Duden: jemand, der auswandert oder ausgewandert ist; Emigrant | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905: Auswanderung, das vorübergehende oder dauernde Verlassen des Heimatstaates in der Absicht, sich in einem andern Lande niederzulassen. Im juristischen Sinn ist A. erst dann gegeben, wenn der Auswandernde seine bisherige Staatsangehörigkeit verliert. Dies kann durch förmliche Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband, aber auch durch Verjährung der Staatsangehörigkeit durch länger fortgesetzten Aufenthalt im Ausland eintreten (s. Staatsangehörigkeit). Während die Auswanderer sich im neuen Heim eine Existenz gründen wollen, suchen Emigranten als politische Flüchtlinge im Ausland nur eine vorläufige Zufluchtsstätte, können allerdings auch ihre seitherige Staatsangehörigkeit verlieren. Insofern wäre die A. aus Kolonialstaaten nach deren Besitzungen keine A. im eigentlichen Sinne, doch ist diese bei einer Würdigung der sozialen Seite der A. ebenso zu beachten wie die Wanderungen nach andern Provinzen eines Staates (innere Wanderungen) oder in andre Staaten einer Union (z. B. in Nordamerika). | Ja älterer Zeit, in der die Einzelwanderung durch Hemmnisse rechtlicher Art und durch mangelnde Verkehrsentwickelung (Schwierigkeit des Reisens, Unkenntnis fremder Länder) erschwert war, kamen Auswanderungen mehr in der Form von Massenwanderungen vor. Das Mutterland gab einen Teil seiner Bewohner zur Gründung von Kolonien ab, besiegte Völker wurden von den Siegern zwangsweise nach einer andern Gegend verpflanzt (Juden), ein Volk wurde durch ein andres aus seinen Wohnsitzen verdrängt, oder es wanderte, um anderwärts ein besseres Heim zu finden (Völkerwanderung, eine derselben ähnliche Erscheinung weist die moderne Zeit im »Trekken« der Buren in Südafrika wie in der Wanderung der Mormonen von Nauvoo nach Utah auf). Beispiele erzwungener A. aus späterer Zeit sind die Verjagung der Mauren aus Spanien, der französischen Protestanten unter Ludwig XIV., der Salzburger unter Erzbischof Firmian. In der neuern Zeit ist der Besuch fremder Länder durch Erweiterung der persönlichen Freiheitsrechte (Aufhebung der Hörigkeit, Gewährung freien Reiserechts, Wegfall polizeilicher Reiseerschwerungen), durch den Einwanderern gewährten wirksamern Rechtsschutz sowie durch die Verkehrsentwickelung außerordentlich erleichtert, und es trägt infolgedessen die moderne A. fast ausschließlich den Charakter der freiwilligen Einzelwanderung. | Die Beweggründe, die zum Aufgeben der Heimat veranlassen, können sehr verschiedene sein, religiöse, politische, wirtschaftliche. Während die beiden ersten in früherer Zeit mächtige Triebfedern waren, ist in der Gegenwart fast ausschließlich der Wunsch nach Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend. Die A. erhält den stärksten Antrieb, wenn ungünstige Verhältnisse in der Heimat mit günstigen der Fremde zusammentreffen. Hauptsächlich treibt der durch allzu rasches Anwachsen der Bevölkerung veranlaßte Notstand größere Scharen in die Fremde. Das sprechendste Beispiel hierfür bildet Irland, das nach 1840 in kurzer Zeit 30 Proz. seiner Bevölkerung durch A. verlor. Auch die deutsche A. ist, abgesehen von der A. in den Reaktionsperioden der 30er und 50er Jahre des 19. Jahrh., wo politische Verhältnisse den Anstoß gaben, größtenteils durch die Erschwerung der Selbständigmachung veranlaßt. Allerdings steht hier die A. nicht in unmittelbarem Verhältnis zur Bevölkerungsdichtigkeit, insofern z. B. in Preußen die dünn besiedelten Provinzen Westpreußen, Pommern, Posen eine viel stärkere A. aufweisen als die dicht bevölkerten Rheinlande. Es hängt dies größtenteils mit den agrarischen Verhältnissen des Ostens zusammen, die den Erwerb eignen Landes erschweren, während im industriellen Westen fleißige Hände immer Beschäftigung finden. Auch das industrie- und volkreiche Sachsen weist eine verhältnismäßig nur geringe A. auf. Daß bei günstigen bäuerlichen Besitzverhältnissen[177] auch die A. gering ist, zeigt Bayern. Mit der agrarischen Verursachung der deutschen A. hängt es zusammen, daß sich diese mit Vorliebe in Länder wendete, die dem Ackerbauer Gelegenheit zum Erwerb eignen Besitzes boter. So wandte sich die deutsche A. früher nach dem Osten (Rußland, Ungarn, Siebenbürgen), begünstigt durch die Herrscher jener Länder, die menschenleere Gebiete zu bevölkern hatten; heute sind politische und wirtschaftliche Verhältnisse dort für die Deutschen nicht mehr so günstig; dieselben wenden sich dem mehr versprechenden Westen (Nordamerika) zu, wo übrigens auch der Handwerker, Dienstbote etc. lange Zeit günstige Verhältnisse vorfand. Die britische A. wird vorzüglich begünstigt durch den Kolonialbesitz und die bereits mit den Ländern, nach denen sich die A. richtet, bestehende Stammesverwandtschaft. Österreich-Ungarn und Rußland, die selbst noch große Landstriche zu bevölkern haben, weisen eine geringe A. auf, in Rußland wird die A. durch die Einwanderung übertroffen. Die geringe Bevölkerungszunahme Frankreichs findet im eignen Lande mit seiner steigenden wirtschaftlichen Kraft Raum und Verwendung, ebenso sind aach die Bedingungen des industriereichen Belgien einer Zuwanderung günstig. In Skandinavien, das keinen Unterhalt für eine große Volkszahl bietet, ist trotz geringer Bevölkerungsdichtigkeit der durch große Vertrautheit mit dem Meere unterstützte Trieb zur A. sehr groß. Ebenso entsendet China mit seiner großen Bevölkerungsdichtigkeit alljährlich Scharen von Auswanderern nach dem Ausland. | In Verbindung mit den gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen sowie mit den mit andern Ländern bereits angeknüpften Beziehungen ist von großem Einfluß auf die A. die ganze geschichtliche Entwickelung eines Volkes. So zeichnet sich die kinderreiche germanische Rasse durch einen traditionellen Wandertrieb aus, während der größte Teil der Slawen zwar zum Wandern innerhalb des eignen Landes geneigt ist, zum Auswandern sich aber nur schwer entschließt. Von den romanischen Völkern sind die seßhaftesten die Franzosen, während der Italiener wieder leichter sein Vaterland verläßt. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 177-182. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000627451X

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