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Ostgote  

Definition

  • Meyers Großes Konversations-Lexikon 1907: [...] Die Ostgoten hatten sich 375 den Hunnen unterworfen, blieben nördlich von der Donau wohnen und nahmen an den Kriegszügen Attilas teil. Erst nach seinem Tode (453) erhoben sie sich unter drei Brüdern aus dem Haus der Amaler, Walamir, Theodemir und Widemir, erstritten am Fluß Netad in Pannonien 454 ihre Selbständigkeit und schlugen von Wien bis Sirmium ihre Wohnsitze auf. Hier wurde nach Theodemirs Tode 475 Theoderich auf den Thron erhoben. Er zog nach der griechischen Halbinsel, um Kaiser Zenon gegen Aufrührer zu unterstützen, wurde aber dann, da die Ostgoten sich durch Plünderungen lästig machten, nach Italien geschickt, um dort Odoakers Herrschaft zu stürzen. 488 sammelten sich 200,000 Ostgoten zu Nova in Niedermösien, brachen sich durch das inzwischen von den Gepiden besetzte Pannonien Bahn, überschritten die Julischen Alpen und überwältigten Odoakers Scharen am Isonzo und bei Verona (489). Mit Hilfe der Westgoten errangen sie 490 einen dritten Sieg an der Adda und nötigten Odoaker zur Flucht nach Ravenna, wo er sich 493 ergeben mußte, nachdem die Ostgoten ganz Italien schon erobert hatten. Vom oströmischen Kaiser als König von Italien anerkannt, wußte Theoderich in kurzer Zeit dem ostgotischen Reich durch Energie und Klugheit Macht und Ansehen zu verschaffen und es zur Schutzmacht für kleinere germanische Völker gegen die Angriffe habgieriger Eroberer, namentlich Chlodwigs, zu erheben. Die Wandalen traten Sizilien ab; im Nordosten bis zur Donau stellten sich die Heruler unter den Schutz der Ostgoten, in den Alpen die Alemannen. Zugunsten der Westgoten schritt Theoderich 507 ein und rettete ihnen Septimanien, während er die Provence mit seinem Reich vereinigte. | Vortrefflich war die innere Organisation des Reiches. Die Ostgoten bekamen den dritten Teil alles eroberten Landes in ganz Italien nebst der entsprechenden Anzahl Sklaven zur Bebauung; sie hatten dafür allein die ehrenvolle Pflicht des Kriegsdienstes und durften Waffen tragen. Ordnung, Waffenführung und Kampfart in dem Heere waren altgermanisch. Der König blieb im Felde der alte Heerkönig und Kriegsfürst; unter ihm befehligten Herzoge und Grafen, im Frieden auch in den Grenzländern. Handel, Gewerbtätigkeit, Ackerbau und andre Künste des Friedens blieben den römischen Einwohnern überlassen, deren Gesetzgebung, Rechtspflege und Steuerordnung nicht verändert wurden. Die zwischen 511 und 515 von Theoderich d. Gr. und seinem Enkel Athalarich erlassenen Verordnungen (vgl. Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 4; Würzburg 1868) hatten sowohl für die G. als auch für die Römer Geltung. Die altrömischen Ämter bestanden weiter und[153] wurden mit Römern besetzt; römische Richter entschieden die Streitigkeiten zwischen den Römern, während solche zwischen G. und Römern von den Gotengrafen mit Zuziehung rechtskundiger Römer abgeurteilt wurden. Unter dem Schutze des langen Friedens und der trefflichen Fürsorge des Königs blühte Italien von neuem auf. Trotzdem verschmolzen G. und Römer zu keinem Ganzen, hauptsächlich wegen des konfessionellen Gegensatzes der katholischen Römer zu den arianischen G., auf deren ursprüngliche Kraft und Sittenreinheit die römische Kultur nur verderblich einwirkte. Aufgereizt vom Klerus, zettelten die Römer Verschwörungen gegen die ketzerische Herrschaft an, und die Hinrichtung des Boëthius und Symmachos, zu ver sich Theoderich 524 hinreißen ließ, steigerte die Abneigung. Dazu kamen nach Theoderichs Tod (526) innerer Zwiespalt und äußere Gefahren. Amalasuntha, die Tochter Theoderichs, die für ihren unmündigen Sohn Athalarich die Regierung führen sollte, begünstigte die Römer und ihre Kultur so sehr, daß die G. ihr den jungen König entrissen, um ihm eine nationale Erziehung zu geben; doch starb Athalarich nach einem ausschweifenden Leben schon 534. Amalasuntha suchte die Herrschaft zu behaupten, indem sie sich mit ihrem Vetter Theodahad, dem letzten Amaler, vermählte. Dieser ließ Frühjahr 535 Amalasuntha im Bade erwürgen und bemächtigte sich der Alleinherrschaft, wurde aber schon Herbst 536 ermordet, weil er sich vor Kaiser Justinian, der als Rächer der Amalasuntha seinen Feldherrn Belisar nach Italien sandte, feig benahm. Belisar, von den römischen Einwohnern als Befreier begrüßt, eroberte Unteritalien und bemächtigte sich im Dezember 536 auch Roms. Witiges, von den G. auf den Thron erhoben, belagerte vergeblich ein Jahr lang (537–538) mit 150,000 Mann die Stadt und mußte endlich nach großen Verlusten nach Ravenna zurückgehen, das sich 539 Belisar ergeben mußte. Als dieser 540 abberufen wurde, führte er Witiges als Gefangenen nach Konstantinopel. Nun wählten die G. Ildibad und nach dessen Ermordung 541 seinen Neffen Totila zum König. Dieser eroberte rasch Italien wieder und zog 546 in Rom ein, das der zurückgesandte Belisar zwar 547 wiedergewann, 549 aber von neuem aufgeben mußte. Nach Belisars zweiter Abberufung (549) unterwarf Totila auch Sizilien, Sardinien und Korsika. 552 ward Narses mit einem oströmischen Heer nach Italien geschickt und besiegte das Gotenheer im Juli bei Tagīna(e) am Fuße des Apennin; Totila kam auf der Flucht um. Während Narses Rom eroberte und nach Kampanien vordrang, ward in Papia Teja auf den Königsschild erhoben. Er eilte seinem in Cumä von Narses belagerten Bruder Aligern zu Hilfe, kämpfte am Flusse Sarnus bei Neapel 60 Tage lang tapfer gegen die Römer und fiel endlich mit dem Kern des Heeres, vom Meer abgeschnitten und dem Hungertod preisgegeben, im Verzweiflungskampf; nur 1000 Mann ergaben sich gegen die Bedingung freien Abzugs. Aligern überlieferte Cumä 553 dem oströmischen Feldherrn, und nachdem ein Heer von Alemannen und Franken, das, mehr um zu plündern, als das Gotenreich herzustellen, in Italien einfiel, 554 am Volturuns vernichtet war, ergab sich die letzte gotische Festung Compsa (Conza) in Samnium 555. Die Reste der G. wurden in verschiedene Länder verschlagen und sind verschollen. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 151-154. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006700179

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